„Führung“ … eine Definitionssache ?
Jeder kennt und nutzt die Begriffe „Führung oder Führen“. Sie sind im täglichen Sprachgebrauch fest verankert, vor allem in Unternehmen und Organisationen. „Führen“ ist ein positiv behaftetes Wort, mit Assoziationen verbunden wie Bildung, Freiheit, und Fortschritt.
Der Begriff an sich ist so allgegenwärtig, dass er keine einheitliche Definition zulässt.
Aus etymologischer Sichtweise heißt „Führen“, so viel wie „fahren machen / in Bewegung bringen“. In verschiedenen Lexika findet man zahlreiche Varianten zu diesem einen Begriff. Ein aktuelles Verständnis von Führung im Sinne von Organisationen, stammt von Hill: „Führen bedeutet, die moralische und strategische Vision greifbar zu machen, die die Identität des Kollektivs fördert.“ (Hill, W.1998). Nach diesem Verständnis ist „Führen“ darauf ausgerichtet, innerhalb einer Organisation eine Richtung anzugeben, oder eine Aufgabe anzuleiten. Dadurch wird den Organisationsmitgliedern geholfen, die Richtung der Organisation zu verstehen und zeigen ihnen zugleich, dass jeder einzelne etwas beitragen kann. Nach Staehle ist Führung ein Verhalten, welches das Verhalten anderer verändert, Kommunikation voraussetzt und Interaktion initiiert. Im Mittelpunkt dieses Verständnisses steht „der Prozess der zielbezogenen, persönlichen und unpersönlichen Verhaltensbeeinflussung“ (Staehle, H. 1989), mit dem Zweck einer bestimmten Zielerreichung. Besonders der amerikanische Organisationsforscher Gary Yukl hat die Definition von „Führung“ in den letzten Jahren geprägt. „Leadership is the process of influencing others to understand and agree about what needs to be done and how it can be done effectively, and the process of facilitating individual and collective efforts to accomplish the shared objective.” (Yukl, G. 2000) Diese Definition von „Führung“ ist als zielbezogener Prozess zu verstehen, welcher die Mitarbeiter so beeinflusst, ihre eigenen Sichtweisen zu ändern, um damit gemeinschaftlich übergeordnete Ziele der Organisation zu erreichen. Im Vordergrund stehen dabei die Optimierung und Steigerung von Effektivität individueller und gemeinschaftlicher Arbeitsprozesse.
Ist „Führung“ also delegierende Aufgabenverteilung, gewollte Beeinflussung oder gar ein optimierter Prozess zur übergeordneten Zielerreichung des „großen Ganzen“?
Es ist nicht einfach „Führung“ als klar definiertes Konzept zu verstehen. Oder wie Reinhard K. Sprenger es ausdrückt, „wegen seiner Unklarheit ist Führung so beliebt in der Wirtschaftswelt. Er eignet sich besonders dazu Teilaspekte zum Dogma zu erheben,[…]“ (Sprenger, R.K. 2012)
Weshalb müssen Teamentwickler sich mit dem Thema „Führen und Führungsrolle“ auskennen?
Das ganze Thema rund um Führung ist für Teamentwickler von grundlegender Bedeutung. In Ihren Workshops kommen sie nicht umhin, die jeweilige Rolle der Führungskraft zu differenzieren. Teamentwickler sollten darauf achten welche Rolle die Führungskraft im Team ausfüllt und dies in Konzeption und Durchführung von der Teamentwicklung mit einbeziehen.
Diese Rollen können sein:
- Die Vorgesetztenrolle: Bei Problemen ist die Führungskraft der direkte Ansprechpartner. Jedes Teammitglied bekommt klare Anweisungen und ist gegenüber der Führungskraft ergebnisverantwortlich.
- Die Führungsrolle: Hier arbeitet das Team selbstständig. Die Führungskraft ist nur für die Ergebnisse verantwortlich. Im Allgemeinen schafft die Führungsperson nur die Rahmenbedingungen und ist für die Zusammensetzung des Teams zuständig.
- Die Teamleiterrolle: Die Führungskraft ist gleichzeitig ein Teammitglied. Das Team arbeitet gemeinsam mit der Führungskraft an dem jeweiligen Aufgabenbereich. Diese Rolle zeichnet sich durch einen kooperativen Stil aus, um möglichst effizient die Zielvorgaben zu erreichen.
- Die Teamsprecherrolle: Hier gibt es nur noch eine hypothetische Hierarchieebene. Die Führungskraft hat weder eine Leitungs- noch Steuerungsfunktion. Bei Abstimmungen und der Aufgabenverteilung sind alle gleichgestellt.
Gruppendynamik innerhalb des Teams
Hierbei stellt sich die Frage ob die Führungskraft wirklich die Autorität im Team bei Entscheidungsfindung und Verantwortungsübernahme darstellt, oder ob es nicht ein Teammitglied ist, welchem sich die anderen Mitglieder mit ihren Fragen und Problemen zuwenden. Ist die Führungskraft wirklich das α (Alpha) des Teams oder nur auf dem Papier bevollmächtigt und eigentlich ein γ (Gamma)? Befindet sich die langjährige Fachkraft, eigentlich das β (Beta) des Teams, in gegenwärtiger α-Position und arbeitet gegen die Führungskraft? Arbeitet das ω (Omega) der Gruppe aktiv gegen α und welche Unterstützung bekommt es von den anderen Mitgliedern? Oftmals ist die Konstellation im Team selbst so dynamisch, dass es ständig zu Verschiebungen im Gefüge kommt und verschiedene Positionen in verschiedenen Situationen zum Tragen kommen.
Anmerkung des Autors:
Gruppendynamik ist eine unglaubliche spannende aber auch komplexe Thematik. Um mehr über Gruppendynamik zu erfahren wird angeraten das 2014 erschienene Buch: Einführung in die Gruppendynamik von König. O; Schattenhofer. K. Carl-Auer Verlag zurate zu ziehen.
Dem Teamentwickler obliegt die Verantwortung, bei der Diagnose von Teams und dessen anschließende Teamentwicklungsmaßnahmen, Annahmen über die Führungsrolle, sowie die gruppendynamische Konstellation innerhalb des Teams anzustellen. Teamentwickler-Erfahrung ist hier nur die „halbe Miete“. Soziometrische Fragen können als Mittel genutzt werden um erste Konstellationen zu diagnostizieren. Da jedes Team eine andere Konstellation, Kultur, Hierarchie etc. aufweist, sollte der Teamentwickler sich nicht nur auf seine Beobachtungsgabe verlassen, sondern selbst Maßnahmen und Interventionen geplant haben um das Gefüge innerhalb des Teams zu beurteilen. Klassische Teambuilding „Spiele“ bieten sich hervorragend an. Der „Tower of Power“ (http://www.metalog.de/de/team-development/tower-of-power.html) zum Beispiel eignet sich nicht nur, um Motivation und Spaß im Team anzuregen, sondern ist für den Teamentwickler in der Hinsicht wertvoll, Rollenverteilung und Gruppendynamik zu analysieren. Zu bedenken ist jedoch, dass sich das Team in Workshopsituationen anders verhält, daher sollte man die „Interventionsspiele“ nicht überinterpretieren. Für die Bildung produktiver Hypothesen, die dann im Diskurs mit den Teammitgliedern bearbeitet werden, lohnt es sich allemal.
-Lorcan Carey